Die Eröffnung des neuen Gemeindezentrums in München beschäftigt (natürlich) die Medien sehr stark. Nicht vergessen ist der Plan, dass man die Grundsteinlegung durch die Platzierung einer Bombe zu einem Desaster machen wollte. Natürlich ist die Süddeutsche Zeitung diejenige Zeitung, die sich mit der Eröffnung des Komplexes besonders auseinandersetzt und deshalb lohnt sich ein Blick in die ungeschönte Berichterstattung der SZ. Heribert Prantl schreibt zum Beispiel über das Jüdische Wunder und hält mehrere, bemerkenswerte, Tatsachen fest:
Soll man sich auch noch daran gewöhnen müssen, dass jüdischen Kindern der Davidstern vom Halskettchen gerissen wird - und die israelische Politik dafür als Entschuldigungsgrund herhalten muss? Sie wird wie ein Korkenzieher benutzt, um die Flasche mit den alten Vorurteilen zu öffnen. Auch das sind die Normalitäten in Deutschland.
Ich meine, so klar wurde das in letzter Zeit in den Medien nicht geäussert, vielmehr überwogen Verständnis und Solidarität mit den Kettenabreissern - man wollte auch nichts davon wissen, dass man angeblich alte Vorurteile pflegte und nun diese klaren Worte. Bemerkenswert ist auch seine Feststellung
Die jüdischen Gastgeber bei der Einweihung der Synagoge werden beteuern, dass sie nun in Deutschland angekommen sind; die Gäste werden beteuern, dass die Juden in Deutschland angenommen sind. Das ist gut so - und doch handelt es sich um Beschwörungsformeln.
Erfrischend, keine philosemitischen, verträumten Artikel zu lesen, in denen das jüdische Leben in Deutschland romantisiert wird und deshalb ist auch seine letzte Beobachtung durchaus treffend:
Und der Satz von der Wiedergeburt des deutschen Judentums ist eine Beschönigungs- und Beruhigungsformel. Es kann nicht wiedergeboren werden; es ist von Hitler ausgerottet worden. Die jüdischen Gemeinden sind neu, ihre Mitglieder kommen überwiegend aus Osteuropa. Sie brauchen nicht nur eine Synagoge. Sie brauchen Integration. Nur dann geht die jüdische Geschichte, die in Deutschland am Ende war, wieder weiter.
In einigen Städten Deutschlands leben heute mehr Juden als jemals zuvor (beispielsweise in Augsburg) und doch gibt es dort nicht mehr jüdisches Leben in Deutschland als zuvor, sondern wesentlich weniger. In meiner Heimatgemeinde gibt es vielleicht eine andere Familie (von 460 Mitgliedern) in deren Wohnung am Freitag-Abend die Kerzen gezündet werden oder in der man auch nur irgendeinen Grad von Kaschrut einhält. Von einer selbstverständlichen Beteiligung am Schacharit Schabbat wollen wir gar nicht sprechen. Trotz hoher Mitgliederzahlen ist Deutschland noch immer ein jüdisches Entwicklungland, dessen Auseinandersetzungen über Inhalte sich in elitären Kreisen abspielen die Welten von der Lebensrealität der Gemeindemitglieder entfernt sind - dennoch gibt es einige gute Initiativen für ein aktives jüdisches Leben zu werben. Sowohl auf orthodoxer, als auch auf liberaler Seite. Dort wo man Synagoge baut, braucht man natürlich auch Menschen, die hineinkommen um zu beten und Mitglieder die gemeinsam an einer Gemeinde arbeiten - für München hoffe ich, dass dies dort der Fall ist - für andere Gemeinden natürlich auch. Eine Sonderseite der SZ zur Eröffnung findet man hier.