Schon wieder! Ich dachte, es sei ein kurzzeitiger Hype, aber da ist sie schon wieder: Lena Gorelik. Auf jetzt.de schreibt sie über sich und die Sicht anderer auf sich - also ihr Lieblingsthema.

Jüdisch, per Zufall, weil so geboren, so wie ich als Frau geboren wurde. Ich kann nichts dafür. Wann immer ich es sage, meistens in einem Nebensatz, weil es einfach nicht wichtig ist, wann immer das Wort jüdisch fällt, spüre ich diese Blicke. Diese vorsichtigen Blicke. Was suchen die, einen antipalästinensischen Button? Den Davidstern an einer Kette? Ich bin nicht anders und will keine Sonderbehandlung. Ich will nicht, dass meine Freunde aufhören, über Michel Friedman zu lästern, wenn ich ins Zimmer komme. Ich will mich nicht für Israels Politik verantworten müssen.

Das interessante daran ist, dass sie diese Distanzierung „literarisch” verarbeitet hat und somit das Nachdenken über Jüdischsein - von dem sie gar nicht möchte, dass andere es als etwas besonders wahrnehmen, wie sie schreibt - zum Selbstzweck erhoben hat. Zu einer Art Werkzeug hat sie es gemacht. So hat ihr Judentum sie bekannt gemacht und womöglich wird sie uninteressant, sobald dies wegfällt(?).

Manchmal muss ich bei jüdischen Kulturwochen lesen, die es mittlerweile in jeder deutschen Stadt gibt. Dann sitzen im Publikum Leute, die wollen nur eine Jüdin sehen. Bei einer solchen Lesung fragte eine Frau, sobald der Applaus verstummt war, ob ich vorhabe, meinen Sohn beschneiden zu lassen. Ein anderer sagte, es sei doch schön, dass Jesus uns alle hier zusammen gebracht hat.

Das ist für alle, die öffentlich als Jude oder Jüdin auftreten die gleiche Erfahrung. Das wird es auch weiterhin geben, solange man eine große Sache daraus macht, jüdisch zu sein. Auf der anderen Seite wird man auch nicht dazu gezwungen, irgendwo zu lesen. Wenn ich lesen möchte, tue ich das. Und worüber lese ich: Über die Besonderheit jüdisch zu sein und das Bedürfnis danach, dass es nichts besonderes mehr ist. Nochmal: Wäre es nichts besonderes, dann würde sich niemand für den Text auf jetzt.de interessieren und auch nicht für das Buch, zu den Lesungen würde auch niemand gehen.. Fühl die Ambivalenz…