Liebe Menschenfreunde und liebe Gutmenschen, als der Libanonkrieg ausbrach, habt Ihr Euch zusammengrottet, habt gemeinsam e-mails geschrieben und Euch über die israelische Politik, das Weltjudentum und überhaupt die Unterwanderung der westlichen Welt durch Juden, ausgekotzt. Die Reaktionen Israels seien übertrieben, Israel ein Unrechtsstaat und überhaupt habe man Solidarität mit den Schwachen dieser Welt. Vereinzelte deutsche Politiker stimmten mit ein in diesen Chor der Gutmeinenden. Nun geht einem kleinen Land tatsächlich an den Kragen und Ihr schaut lieber weg. Die Rede ist von Georgien ??????????, dem winzigen Land im Kaukasus (übrigens, mit einem der ältesten Schriftsysteme der Welt), dass von Rußland in die Zange genommen wird. Aber nicht nur das Land selber wird derzeit durch Rußland isoliert, sondern Georgier in Rußland regelrecht verfolgt:

Russische Milizionäre verhaften in Moskau, Sankt Petersburg und anderen Orten Rußlands Menschen auf der Straße, weil sie aussehen wie Georgier. Märkte und Basare werden durchkämmt, um georgische Händler aufzustöbern, die sich womöglich illegal in Rußland aufhalten. Das Raster, das früher auf Personen „kaukasischer Nationalität“ - von Tschetschenen bis Aserbaidschanern - abgestellt war, wurde nun verfeinert. Jetzt geht es vor allem um die südkaukasischen Georgier. FAZ.net

Eine Politik, die der immer latenter werdenden Fremdenfeindlichkeit in Rußland zweifellos in die Hände spielt. Die Nationalisierung der russischen Bevölkerung und die Anerkennung auch rechter Gruppen (siehe auch den Artikel zu Schirinowski in diesem Blog) geht mit großen Schritten voran. Von Kritik keine Spur. Auch den Tschetschenienkrieg kritisiert Ihr nicht. Zu weit weg, zu wenig medienwirksam, zu groß der Gegner, zu befreundet der Staatsführer. Pünktlich zu Putins Geburtstag hat man dann auch eine seiner wenigen Kritikerinnen umgebracht: Anna Politkowskaja.

Anna Politkowskaja arbeitete zuletzt an einem Aufsatz über Folterungen in Tschetschenien, der an diesem Montag in der „Novaja gazeta“ erscheinen sollte. Zuletzt druckte das Blatt ihren Artikel über die Personenauswahl und die Kampfmethoden jener Tschetschenen, die das moskautreue Regime verteidigen. Faz.net

André Glucksmann fragt sich das übrigens auch laut:

Der Zerfall des Sowjetreichs hat zwar stattgefunden, aber die Folgerungen, die der Westen daraus zieht, entsprechen ganz und gar nicht denen Moskaus: “Die Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 ist die größte Katastrophe des Jahrhunderts”, wagt der Zeremonienmeister von Sankt-Petersburg zu behaupten, als ob die Abermillionen Toten des Hitler-Abenteuers und des Gulags und anderer Kerker der Tscheka weniger zählten als die “Katastrophe” der verlorenen Hegemonie über Riga, Vilnius, Kiew oder Tiflis. Wo sind die Empörungsschreie? Vergleiche sind nicht immer vernünftig, aber stellen Sie sich eine Sekunde eine Angela Merkel vor, die über den Zusammenbruch des Dritten Reichs in Tränen gerät: unmöglich. Und dennoch sind die Worte in Moskau nicht in die Luft gesprochen.

Alle Anstrengungen Wladimir Putins zielen sowohl in der Innenpolitik als auch im benachbarten Ausland darauf, eine “Vertikale der Macht” wiederherzustellen, ein diskreter Euphemismus, der kaum die Rückkehr zur brutalen autokratischen Tradition des Zarenregimes verschleiern kann, die von den Bolschewiken zu ihrem Gipfel geführt worden war. Man hält an einem unmenschlichen Krieg gegen Zivilisten in Tschetschenien fest, erstickt die bürgerlichen Freiheiten, verteilt die Reichtümer unter Kumpeln, unter Sanktionierung von Abtrünnigen wie Michail Chodorkowski, benutzt Gas und Öl als Waffe, um die russische Ordnung in den Nachbarhauptstädten wieder herzustellen. Es fällt wie Schuppen von den Augen. Die Sieben aus der G8 wissen jetzt, dass ihr Gastgeber seinen Ehrgeiz und seine Arroganz nicht mehr zu verstecken braucht. … Es gibt keinen neuen Kalten Krieg. Putin ist nicht Stalin. Ihm gehört nicht halb Europa wie noch seinem Meisterdenker Andropow. Übergroß erscheint die Herausforderung durch Putin nur angesichts unserer Zersplitterung, unserer kurzsichtigen Rivalitäten und moralischen Schwäche. von hier

Warum, liebe Gut und Bessermenschen, kümmert Ihr Euch nicht einmal darum? Vielleicht, damit ihr im Winter schön billig heizen könnt? Wenn es Euch selbe an den Kragen gehen könnte, dann seid Ihr lieber still…