In der Neuen Zürcher Zeitung fragt sich Natan Sznaider, was nach der Waffenruhe passieren könnte und frühstückt, ganz nebenher, die großen Mißverständnisse und Fehlannahmen um diesen Krieg herum weg:

Jede Seite will etwas - oft sogar dasselbe -, und meist geht es dabei um umstrittenes Territorium. Jede Seite benutzt den Krieg, um ihre Positionen zu stärken, und am Ende einigt man sich. Aus diesem alten europäischen Verständnis des Krieges stammen der Begriff der Verhältnismässigkeit und die Regeln der fairen Kriegsführung, die so wichtig für gültiges Völkerrecht sind. Man geht davon aus, dass beide Seiten vergleichbare Ziele verfolgen, dass sie einander ähnlich sind und dass man daher ein gegenseitiges Versicherungssystem abschliessen kann, dessen Grundlage die Angst vor dem gewaltsamen Tod ist. Aber in diesem Krieg stimmte diese Gleichung nicht mehr, und bevor nun die Weltgemeinschaft Truppen in den Nahen Osten schickt, sollte die gegenwärtige Konfliktstruktur in ihrer Art und Tragweite verstanden werden. Man denke dabei nicht zuletzt an das kürzlich in England aufgedeckte Komplott für koordinierte Terroranschläge auf amerikanische Passagierflugzeuge, das zumindest teilweise als eine Verlängerung des Nahostkonflikts in anderer Form zu verstehen ist.

Bewaffnete Konflikte werden nicht mehr abseits von Fernsehkameras und öffentlichen Debatten geführt. Damit wird ein Krieg schnell einmal zur «humanitären Krise», in der es keine Politik und keine Ursache und Wirkung mehr gibt, sondern nur mehr die Frage der Moral; und solche Kriege sind im Angesicht der Weltöffentlichkeit schwer zu gewinnen. Israel ist in dieser Falle der kosmopolitischen Moral gefangen, die natürlicherweise von ihm als souveränem Staat eingefordert wird - und von Israel mehr noch als von anderen, da viele Europäer in der Illusion leben, dass Israel nur als moralisches Projekt existieren darf, aber nicht als Staat, der seine Existenz militärisch verteidigt. Da es als souveräner Staat seine Armee gegen Terroristen einsetzen muss, wird es automatisch als Aggressor tituliert. Europäische Intellektuelle verlangen von Israel ein höheres Mass an Moralität, weil es in ihr Weltbild passt, dass ehemalige Opfer sich eben so verhalten sollten. Wenn der hilflose Jude auf den kämpfenden Israeli projiziert wird, dann stimmt das Weltbild nicht mehr, welches dann auch noch von manchen israelischen Dichtern und Denkern in Europa verstärkt wird. … Dabei ist das Problem schon lange nicht mehr ein territoriales. Und das ist in Europa schwer nachvollziehbar, da territoriale Probleme eben europäische Probleme par excellence waren. Europäer werden bald verstehen müssen, dass es um viel mehr als Territorium geht. Die Bedrohung von Israels Existenz im Nahen Osten ist letztlich Teil eines islamistischen Projektes, das am Ende genau jene tolerante, kosmopolitische Moralität auslöschen will, die jetzt verhindert, dass dieses Projekt effektiv bekämpft werden kann.

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