Zur Zeit sieht es wohl so aus, als könnte jeder seinen Schabernack mit uns treiben. In die alte Synagoge von Pulheim-Stommeln leitet ein „Künstler” Autoabgase, Besucher können mit einer Sauerstoffmaske dann in die sogenannte „Gaskammer” gehen:

“Die provokante Kunstaktion blieb bis zuletzt geheim: Eine Synagoge bei Köln wurde am Sonntag zur „Gaskammer“. Der spanische Künstler Santiago Sierra leitete die Abgase aus den Auspuffrohren von sechs Autos in das frühere jüdische Bethaus von Pulheim-Stommeln."Nachrichten: Autoabgase in Synagoge bei Köln geleitet

Völlig zurecht sagte Zentralrats-Generalsekretär Stephan J. Kramer, er frage sich, warum die Ermordeten des Holocaust und nicht die Täter derart provoziert würden. Auch hier wird sich wieder niemand öffentlich dazu äussern:

Der Bürgermeister der rheinischen Kleinstadt, Karl August Morisse, mag nicht glauben, „dass sich jemand beleidigt fühlt, weil die Sinnhaftigkeit des Werks offenkundig ist“. Er biete allen Kritikern die Diskussion über das drastische Kunstwerk in seiner Stadt an. Gegenüber dem „monströsen“ Massenmord an den Juden sei.

Allen anderen, die sich vielleicht doch melden wollen, schlage ich folgende Koordinaten vor: Rathaus Pulheim, Alte Kölner Straße 26, 50259 Pulheim, Telefon 02238-808-0, Fax 02238-808-345, e-Mail: stadtpulheim@pulheim.de

Update: Immer mehr Online-Medien und Zeitungen stürzen sich auf das Thema und zahlreiche Leser, Bekannte und Freunde haben mittlerweile e-mails an das Rathaus in Pulheim gesendet. Der Stern beschmückt den Presseartikel noch mit fragwürdigen Bildern: 10:35 Uhr heute: Ralph Giordano verlangt Abbruch der Kunstaktion in ehemaligem jüdischen Bethaus

Aber ich wiederhole, ich bin sprachlos. Und dem Bürgermeister von Pulheim-Stommeln - ich höre, dass er Karl August Morisse heißt - der da von einem drastischen Kunstwerk redet, dem rate ich dringend, dem Spuk ein rasches Ende zu bereiten. Und all denen, die über diese Aufforderung von mir die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, denen rate ich, ihre Einstellung zur Meinungsfreiheit einmal zu überprüfen. Nein, ich bin vollkommen in Übereinstimmung mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland, meinem Freund Paul Spiegel und Generalsekretär Kramer, die von einer niveaulosen Aktion gesprochen haben.

Herr Kollege, lassen Sie mich noch etwas sagen. Meine Familie und ich, wir haben jahrelang Angst gehabt vor dem jederzeit möglichen Gewalttod. Diese Angst war unser zentrales Lebensgefühl gewesen. Ich sinne seit gestern darüber nach, was wir damals wohl empfunden hätten, wenn die Zukunft voraussehbar gewesen wäre und wir von dieser Aktion gehört hätten. Ich glaube, wenn Santiago Sierra jemals in unserer Situation gewesen wäre, dann hätte er sich sein Pulheimer Machwerk verkniffen. Die gute Absicht, sollte er sie denn haben, entschuldigt ihn in meinen Augen jedenfalls nicht.

Das ganze Interview mit dem Deutschlandfunk: hier