Am 05. Februar wies ich hier auf eine Veranstaltung mit Dr. Rachel Herweg in Gelsenkirchen hin und schrieb, es könnte möglicherweise interessant werden. Tatsächlich wurde es auch interessant. In knapp 90 Minuten berichtete sie über die Veränderungen des Rollenbildes der Frau innerhalb des Judentums und auch über die Situation der jüdischen Frauen in Deutschland. Einige grundsätzliche Beobachtungen fügte sie ihrem gut bebilderten Vortrag hinzu. Ich schrieb ja bereits, wie wichtig es für die Stadt Gelsenkirchen ist, dass auch über die Entwicklungen im modernen Judentum gesprochen wird und so will ich kurz einiges zusammenfassen und muß dabei aber einige Aspekte weglassen, weil es sonst zu vielschichtig wird. Bild: Isidor Kaufman - Die Frau wartet am Schabbat auf die, aus der Synagoge, heimkehrenden Männer.

Ausgangspunkt der Suche moderner jüdischer Frauen nach ihrem Selbstverständnis sei stets ein ideal gesetztes traditionelles Judentum gewesen. Dieses Judentum entwickelte zwei nach Geschlecht getrennte arbeits- und aufgabenteilige Lebenswelten: das Lehrhaus als Domäne der Männer und das jüdische Haus als Wirkungsort der Frauen. Die zunehmende Polarisation von Männer- und Frauenwelt sicherte die Vormachtstellung der Männer, indem deren selbsterklärter Aufgabenbereich das Studium und schriftliche Tradieren von Halacha war. So „befreiten“ männliche Gelehrte Frauen von der religiösen Pflicht, zeitgebundene positive Gebote zu befolgen. Den Hintergrund für diese Befreiung selber sah sie in einem recht positivem Licht. Später diente ihnen diese Befreiung dazu, Frauen von der aktiven Teilnahme am Gottesdienst auszuschließen und sie der Verpflichtung zum Torastudium zu entheben. Dennoch beteten, lasen und lernten jüdische Frauen zu allen Zeiten; jedoch ohne viele schriftliche Zeugnisse zu hinterlassen. Besonders verwiesen hat sie auf die Memoiren der Glückel von Hameln. Sie begann 1691 ihr Leben für ihre Nachkommen zu beschreiben. Anhanhd von Bildern zeigte sie aber immer wieder überzeugend, dass Frauen auch im Mittelalter abwechselnd gleichwertige Partner, oder tatsächlich auch „Versorger” waren. Mit Beginn der Haskala, begann auch ein Hinterfragen der religiösen Rollen. Innerhalb der Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland entstandenen jüdischen Reformbewegung wurden erstmals Vorschläge zur Emanzipation der jüdischen Frau formuliert und in der Breslauer Rabbinerkonferenz von 1846 beschlossen. Sie beinhalteten auch, dass Frauen alle religiösen Gebote zu beachten haben, auch Mädchen zum Lernen von Tora und Talmud verpflichtet seien und dass eine Frau nicht vom Vater oder Ehemann von ihren Gelübden losgesprochen werden darf. Natürlich fehlte auch der Verweis auf Rabbinerin Regina Jonas, die 1935 als weltweit erste Frau Ordination zur Rabbinerin erhielt; damals von Max Dienemann.

Besonders interessant war die These, dass die Rollenverteilung der Orthodoxie eigentlich demjenigen der Mehrheitsgesellschaft entgegenlief. Die Frauen ermöglichten ihren Männern oft den Besuch der Jeschiwah oder der Synagoge und sie sorgte für den Unterhalt und das Haus. So hätten die Männer durchaus eine feminine Rolle zugewiesen bekommen. Sie erinnerte auch kurz daran, wie wir im G-ttesdienst mit der Torah umgehen… Die Ankunft im Bürgertum der USA stellte diese Gesellschaftsstruktur in Frage und sorgte für Umbrüche, die Dr. Herweg eingehend, auch anhand von Karikaturen, beschrieb. Von der örtlichen Kultusgemeinde fand sich leider kein offizieller Vertreter ein - offenbar ist das Thema doch nicht für die Gemeinde von Interesse…….