Mit einem Gefühl von Ekel habe ich in den letzten Tagen die Berichterstattung über das deutsche Entführungsopfer Susanne Osthoff mitverfolgt. Was hier zu beobachten war, ist vielleicht typisch für die Reaktion hierzulande. Während sich in Frankreich und Italien große Demonstrationen mit den jeweiligen Entführungsopfern solidarisierten, fand sich in ihrem letzten deutschen Wohnort am 2. Dezember eine Mini-Mahnwache zusammen und einige Tage darauf gab es in Offenbach eine Demonstration von rund 100 Muslimen. Die Anteilnahme hielt sich also nicht nur in Grenzen, sie fand einfach nicht statt! Die „Zurückhaltung” wurde von den berichterstattenden selbst mit dem Vertrauen in die Arbeit des Berliner Krisenstabs begründet. Tatsächlich aber liegt es wohl an einer grundsätzlichen kritischen Haltung dem Islam gegenüber (und allem was nicht der „Leitkultur” entspricht). Die ZEIT -Die verlorene Tochter verfasste eine Reoprtage über Susanne Osthoffs Wohnort Ebersberg und ihre Familie. Fazit des Artikels sollte wohl sein: „Egoistische Frau - selber schuld”:

Es gibt ein Foto, das Susanne Osthoffs Tochter bei der Einschulung zeigt: ein hübsches Mädchen mit langen schwarzen Haaren, in einem bayerischen Trachtenkleid, schüchtern lächelnd, halb verdeckt von einer sehr großen roten Schultüte. Das war im Jahr 1999. Susanne Osthoff bestand darauf, dass ihre Tochter zur Muslimin erzogen werde. In Oberbayern.

Man merke auf: Oberbayern - der Islam passt hier nicht hin… und gehört wohl auch nicht hierhin…

Interessanterweise wurde das Video der Osthoff-Entführer in Deutschland nur in Ausschnitten gezeigt. So wurde wohl auch eine unnötige Solidarisierung vermieden. Heute (28. Dezember 2005) wird diskutiert, ob Susanne Osthoff in den Irak zurückkehren darf: Die Zeit - Deutschland : Bei aller Liebe Die ZEIT diskutiert wieder ganz vorne mit, frug sich aber am 15.12.2005 „Kein Recht auf Mitleid”:

Spätestens seit den achtziger Jahren gelten die Deutschen als Weltmeister der Solidarität. Ob Hungersnöte in Afrika, Erdbeben im Nahen und Fernen Osten oder die Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean – immer wieder sind unsere Landsleute mit Hilfe zur Stelle.

Dieses Bild hat im Entführungsfall Susanne Osthoff Risse bekommen. Im Unterschied zu Frankreich oder Italien, wo Hunderttausende für im Irak entführte Landsleute auf die Straßen gegangen waren, ist hierzulande – von den bemerkenswerten Initiativen islamischer Organisationen abgesehen – nichts Vergleichbares geschehen. Erst in den vergangenen Tagen sind Anzeichen für zaghafte Solidaritätsbekundungen, etwa eine Mahnwache in München, zu bemerken. Im bayerischen Ebersberg, Osthoffs Heimat, trafen am dritten Advent nicht mehr als zweihundert Bürger zu einer Kundgebung zusammen, in München waren es einen Tag zuvor lediglich dreißig Teilnehmer. …

Doch sind derartige Fragen im aktuellen Fall der deutschen Archäologin überhaupt gerechtfertigt? Christoph Reuter hat kürzlich im stern von Susanne Osthoff das »Porträt einer Zerrissenen« gezeichnet, einer Frau, die in Deutschland nicht sein wolle und im Irak nicht sein könne. Die geschiedene Frau eines Jordaniers, der einem mächtigen Beduinenstamm angehört, die Mutter einer elfjährigen deutschen Schülerin, die Nomadin, die Ortlose, die Suchende, die Umhergetriebene. Susanne Osthoff hat nicht nur als besessene Archäologin gearbeitet, sondern auch als humanitäre Helferin. Sie war nach dem Irak-Krieg unter den Ersten, die nach Bagdad fuhren, um der Bevölkerung zu helfen.

Sie war wohl auch eine Unvernünftige. Sie glaubte, ihr könne nichts passieren, weil sie als Deutsche aus einem Land komme, das sich nicht am Irak-Krieg beteiligt hat. Sie war sich sicher, sie sei geschützt, weil sie im Irak über einflussreiche Verbindungen verfüge. Wie sich nun zeigt, hat es nicht an Warnungen gefehlt. Zuletzt riet der stellvertretende deutsche Botschafter Thomas Wülfing, sie solle den Irak »schnellstmöglich« verlassen.

Heute fragt sich auch die Bild-Zeitung (nachdem sie nach der Entführung, mit Rücksicht auf die Angehörigen, gefragt hatte „Wird sie auch geköpft”) „Was denkt sie sich bloß?” und zitiert den SPD-Abgeordneten Lothar Mark (stelvertretender Vorsitzender des auswärtigen Ausschusses), der sagt, die deutschen Steuerzahler würden „kein zweites Mal eine Geiselfreilassung im Irak finanzieren“. Wer in einer Gesellschaft lebt, deren erste Reaktion auf eine menschliche Katastrophe ist danach zu fragen, was es wohl kosten wird, der wird sich wohl fragen müssen, ob diese Gesellschaft nicht ein massives Problem hat.

Es ist also gar nicht zu erwarten, dass nach der öffentlichen Demontage dieser ersten deutschen Geisel, die Medien nach ihrer Freilassung zimperlich mit ihr umgehen würden. Schnell steht der Kostenfaktor im Vordergrund und dass sie eigentlich nicht mehr diesem Kulturkreis angehört. Eine Gesellschaft die so mit denen umgeht, die großes (Mitaufbau der Kinderhilfe Irak, sie beschrieb auf der Titelseite der New York Times 2003 die Zerstörung einiger Ausgrabungsstätten im Irak, kämpfte für den Erhalt einer osmanischen Karawanserei in Mossul, sie spricht arabisch in zahlreichen Dialekten und erhielt 2003 den Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung) geleistet haben, ist bedauernswert. Man fiebert mit Superstars mit, die im Leben nichts anderes geleistet haben als sich vor ein Mikrofon zu stellen, schert sich aber nicht um die, die ihr Leben für andere einsetzen.