Torah 3 Originally uploaded by JE-V.

Im letzten Monat gab es in der Synagoge ein interssantes Gespräch zum Minjan und wir fragten uns, was wohl der Palästinensische Minjan sei, von dem immer wieder geredet worden ist. Die Antwort war leicht, aber alles andere was ich erfahren habe sehr interessant. Zunächst: Ein Palästinensischer Minjan ist keine Ansammlung von Juden die statt eines Tallits eine Kefijah tragen… Der Palästinensische Minjan ist offenbar der Minhag den es Land Israel gab, bei weniger als 10 Personen einen Minjan zu haben. Ausreichend waren wohl sieben oder auch sechs Personen. Wie man sieht, kurze Antwort auf die Frage. Interessant ist es jedoch, zu beobachten, wie die Weisen sich immer versucht haben, dieses Konstrukt Minjan immer wieder zu redefinieren. Offenbar gab es zu jeder Zeit und an fast jedem Ort das Phänomen der wenigen Synagogenbesucher. Viele deutsche Gemeinden haben heute das Problem nicht mehr; einige kleine Gemeinden jedoch schon. Hier also mein kleiner Exkurs in die Geschichte der Minjanrezeption: Der Minjan definiert im rechtlichen (halachischen) Sinne zunächst einmal „Öffentlichkeit" (Zibur – von zabar [sich vereinigen] Bereschit 41:35) im Gegensatz zum Einzelnen (jachid). Eben durch den Minjan wird die Öffentlichkeit definiert. Der Talmud leitet diese Zahl über das Wort „Edah" ab, das an mehreren Stellen des Tanach im Zusammenhang mit 10 Personen genannt wird. Interessanterweise definiert die Mischnah eine „Große Stadt" als eine, in der 10 Mann den täglichen G-ttesdienst besuchen können; dazu war es ja erforderlich, dass man seine Geschäfte unterbrach (Mischnah Megillah 1:6). Es war also schon in einem Land schwierig einen Minjan zu bilden, in dem die jüdische Siedlungsdichte eher als hoch zu bewerten ist. Die Situation im Galut heute ist heute selbstverständlich wesentlich verschärft. Neben der Regelung, die sich heute bei traditionellen Gemeinden durchgesetzt hat, dass 10 Erwachsene einen Minjan formen, ist es aber scheinbar durchaus zulässig, dass ein Minjan weniger als 10 Erwachsene erfordert. Wie Massechet Soferim (10:8) (ebenfalls auch Tossafot zu Megillah 23b) berichtet, war es in Palästina/Israel durchaus üblich, dass ein Minjan aus sieben Personen bestehen kann. Letztendlich hat sich babylonische Praxis (10 Personen) durchgesetzt, wie sie sich auch bei dem Zyklus der Torahlesung durchgesetzt hat. Beide Sichtweisen liegen also innerhalb eines klaren halachischen Rahmens. Selbst in Gemeinden, in denen die babylonische Auslegung als bindend empfunden wurde, hat man einiges getan, um sie zugunsten einer kleineren Gemeinde aufzuweichen: Rab Huna schlägt in Berachot 47b vor, den Aaron haKodesch oder das Sefer Torah als Person mitzuzählen, um ein Gemeinschaftsgebet zu ermöglichen. Weiter wird dort diskutiert, ob es statthaft sei, einen Sklaven zu entlassen um so einen weiteren Minjanmann zu erhalten. Faustregel ist hier, dass die Gruppe wie „zehn aussieht bis man sich die Mühe macht nachzuzählen" (Berachot 47b) - Im Judentum ist es übrigens untersagt, Personengruppen direkt zu zählen; beispielsweise mit dem Finger. Später erlaubt Rabbenu Tam, das man ein Kleinkind in der Wiege mitzählen dürfe, wenn es einen Chumasch in den Händen hat (Or Zaruah 196, Machzor Vitry 82). Selbst im Schulchan Aruch wird das diskutiert (Orach Chajim 55:4). In anderen Quellen heißt es, dass ein Gebet, welches mit einem Zehnerminjan begonnen wurde, selbst dann fortgesetzt werden kann, wenn einige Männer den Raum verlassen und die „Mehrheit der Männer im Raum bleibt" - also mindestens 6 (Rambam, Jad, Tefillah 8:8, Schulchan Aruch Orach Chajim 55:4; und Chofetz Chajim, Mishnah Berurah 24). Wenn es also darauf ankam, ein Gemeinschaftsgebet zu ermöglichen, entschied man zum leichten. Die Situation heute: Der Minjan wurde in deutschen liberalen und gemässigten Reformgemeinden nicht mehr zwingend vorausgesetzt, so beispielsweise 1846 auf der Rabbinerkonferenz in Breslau und 1847 durch den „Rabbinischen Oberrat" in Mecklenburg. Der orthodoxe Naphtali Tzevi Jehudah Berlin (genannt Nezib) aus Woloschin (Oberhaupt der Jeschiwa von Woloschin), entschied sich gegen die zwingende Erforderlichkeit eines Minjan. Die Liberale Bewegung in Deutschland heute bestimmt, das Schabbatg-ttesdienste ohne Minjan stattfinden könnten (Progressives Judentum, Seite 129), zitieren jedoch auch die Stelle aus Massechet Soferim. Die “Central Conference of American Rabbis” hat 1936 in einem Responsum (Vol. XLVI, 1936, p. 127) dargelegt, dass der palästinensische Minjan vollkommen ausreiche, um ein vollständiges Gemeinschaftsgebet durchzuführen. Im Juni 1989 wurde dies erneut bekräftigt, jeweils verbunden mit dem Wunsch, dass möglichst viele (jüdische) Personen an einem Gebet teilnehmen und dass man erleichternde Regelungen auf Grundlage der Halachah treffen kann. Festgehalten werden kann also, dass es nicht unerheblich ist, wie viele (jüdische) Personen an einem Gebet teilnehmen und dass man erleichternde Regelungen auf Grundlage der Halachah treffen kann. Der Minjan soll keine Belastung für die Gemeinde werden, sondern es ermöglichen, dass die mit der Tfillah verbundenen Mitzwot erfüllt werden können. Entsprechende erleichternde Regelungen wurden, wie dargelegt, nicht nur von liberalen Autoritäten getroffen und stehen offen zur Diskussion.