Welches Genie kam eigentlich auf die Idee, dass ausgerechnet Juden sich mit Kollegah über seinen Antisemitismus unterhalten sollten, nach dem Motto »Juden kümmern sich um ihren Kram«? Und welcher Chochem war es, der ausgerechnet Kat Kaufmann und Shahak Shapira dazu nominierte? Ach ja! Es war Jan Böhmermann. Als er seine eigene Hilfslosigkeit damit dokumentierte, diejenigen zu nennen, die ihm anscheinend am »jüdischsten« erschienen.

Diese »Zusammenkunft« fand sogar statt. Zusammenkunft erscheint in diesem Zusammenhang das einzig treffende Wort zu sein. Es war kein »Treffen« und schon gar keine »Diskussion«. Vielleicht trifft es das Wort »Audienz« eher. In dem dazugehörigen Video begrüßt Kollegah seine »Gäste«, während seine Gefolgschaft um den »Boss« und um sie herum angeordnet sind. Menschen, die große klassische Malerei gerne interpretieren, hätten ihre helle Freude daran, zu schauen, wie der »Boss«, wie Kollegah sich selber nennt, sich in Szene setzt. Die Gäste zeigen gleich nach der offiziellen Begrüßung durch den Boss, welche Richtung das Gespräch nehmen wird. Sie versuchen, ein Stück seiner Coolness durch den Spiegeltrick (das Verhalten dessen imitieren, dem man sympathisch sein möchte) zu erhaschen. Dann folgt ein klassischer Griff in den Werkzeugkasten des Alphamännchens: So zu tun, als hätte man sich den Namen des Gegenübers gar nicht gemerkt, oder nicht richtig. So wird also »Shahak Shapiri« begrüßt und der korrigiert seinen Namen gleich »Shapira« und hat damit gleich zu Beginn des Gesprächs demonstriert, dass er nicht die Oberhand haben wird. Aber er versucht aufzutrumpfen indem er einen fragwürdigen Witz über sein Judesein macht: »Ist wie Tripper«– Kunstpause – »wird man nicht los«. In der Muppetshow schauen die Figuren nach solchen Kalauern mit offenen Mündern nickend ins Publikum. Ein Tusch fehlte. Welche Rolle Kat Kaufmann einnahm, war nicht ganz klar. Entweder wollte sie einfach so cool wirken, dass sie keinen ganzen Satz äußern wollte, oder sie war einfach nicht in der Lage, einen vollständigen Gedanken auszuformulieren. Zu Beginn des Videos beteiligte sie sich kurz an Kritik am Zentralrat. Das erhält besonderen Drive, wenn man weiß, dass ihr Vater, Küf Kaufmann, Mitglied des Präsidiums des Zentralrats war (oder sogar noch ist).

Über Antisemitismus wurde dann aber auch gesprochen. Der Boss teilte mit, dass er kein Antisemit sei. Wenig später verlautbarte er: »die einzigen, die sich immer in eine Opferrolle setzen, seid ihr Juden.« Seine Einlassungen über jüdische Anwälte seien eigentlich als Kompliment gemeint. Einfach, weil Juden die besten Anwälte haben.

Es wäre hilfreich gewesen, wenn das Gespräch jemand geführt hätte, der den Boss zuweilen auf offensichtliche Widersprüche hingewiesen hätte. Auch das Gerappe über »Bitches« und »Schwuchteln« gehe klar. Man dürfe jeden in seiner »Kunstform« beleidigen (ist gar nicht so gemeint, nämlich anders). Später im Gespräch heißt es aber, den Islam und Mohammed dürfe man nicht beleidigen. Über Religion macht man keine Witze. Da dürfe man sich nicht wundern, wenn Leute sich darüber aufregen.

Shapira pflichtet bei: Ja, ja. Auch in seinem Programm werden alle durchbeleidigt. Mit der »Kunstform« von Kollegah habe er jedoch Probleme. Kollegah sieht das Problem nicht. Er habe seine Fans nicht gemacht und wenn die das falsch verstehen: Nicht sein Problem. Wenn diese die »Endlösung« der Juden auf seinem Facebook Profil fordern, sei es nicht seine Aufgabe, solche Äußerungen zu »zensieren«. Er würde das nicht gut finden, könnte das aber nicht unter jeden Kommentar schreiben.

Was haben wir also gelernt? Mit Shapira und Kaufmann nimmt das Gespräch genau den Verlauf, den es nehmen musste. Kollegah muss nicht auf konkrete Vorwürfe eingehen und sich deshalb auch nicht damit auseinandersetzen. Dass Gespräch hätte sicherlich einen anderen Verlauf genommen, hätte sich Kollegah etwa mit Serdar Somuncu und Oliver Polak getroffen. Die machen nicht den Eindruck, als würden sie sich für jemanden verbiegen.

Danke für Nichts, Jan Böhmermann.

Ach so, hier ist das Video: