Siedleralltag

Morgens sehr früh aufstehen.
Schon vor Sonnenaufgang ein paar Palästinenser ärgern.
Dann Frühstück. Die Frühstückseier hat man – natürlich – den palästinensischen Nachbarn weggenommen. Dann arbeiten, oder besser, die Arbeit der – wir ahnen es schon – »Hilfskräfte« beaufsichtigen. Die bauen neue Häuser auf ihrem eigenen Land für neue Siedler, die neue Hilfskräfte verpflichten die neue Häuser bauen und so weiter.
Dann Schießtraining und Wasser vom Jordan abzapfen.

So sähe der Tag der »Siedler« aus (oder schlimmer), wenn man eine kleine Umfrage im deutschsprachigen Internet (oder vielleicht sogar auf der Straße) machen würde. Dort ist alleine der Begriff »Siedler« schon ein Kampfbegriff.
Dass da Menschen dahinter stecken, kommt einem nicht in den Sinn. Warum leben sie dort, wo sie leben und wie leben sie dort?

diesiedlerin.net

Es ist häufig nicht schlecht, wenn man die Menschen hinter den Schlagwörtern kennenlernt und vielleicht auch ein wenig Empathie entwickelt.

Chaya Tal hat den deutschsprachigen Lesern nun ein kleines Fenster geöffnet. Sie berichtet über ihren eigenen Alltag in der Nähe Gusch Etzion und nun auch vom Alltag anderer Bewohner der Gegend. Zum Beispiel erzählt sie hier von Orli. Das dürfte die Ausbildung einer eigenen Haltung gegenüber den »Siedlern« ein wenig vereinfachen, wenn man sie nicht nur als Objekte der Nachrichten kennt, sondern, wie gesagt, als Menschen mit einem eigenen Lebensentwurf. Den werden sicherlich einige nicht teilen wollen.
Aber das Leben der Menschen abzulehnen, ohne jemals etwas aus erster Hand erfahren zu haben, wäre allerdings ebenfalls abzulehnen.

Die deutsche Öffentlichkeit hat den Begriff »Siedler« schon zum Synonym für Rassismus und Friedensfeinde gemacht hat. Aber nehmen wir mal Rabbiner Menachem Froman, seine Person ist schon Widerlegung dieser These.

Praktischerweise hat Chayas Blog die URL diesiedlerin.net. Das ist eingängig.

Grundsätzliches zum Thema Siedlungen findet man hier

Von Chajm

Chajm Guski ist nicht nur Autor dieses Blogs und Bewohner des Ruhrgebiets, sondern auch Herausgeber von talmud.de und Organisator des Minchah-Schiurs im Ruhrgebiet. Einige seiner Artikel gibt es nicht nur im Internet, sondern beispielsweise auch in der Jüdischen Allgemeinen. Über die Kontaktseite kann man Chajm eine Nachricht senden. Man kann/soll Chajm auch bei twitter folgen: @chajmke. Chajms Buch »Badatz!« 44 Geschichten, 44 zu tiefe Einblicke in den jüdischen Alltag, gibt es im Buchhandel und bei amazon. Sein Buch »Tzipporim: Judentum und Social Media« behandelt den jüdischen Umgang mit den sozialen Medien. || Um per Mail über neue Beiträge informiert zu werden, bitte hier klicken

4 Kommentare

  1. Danke Chaim, fuer den Beitrag.
    Ich kenne selbst einige dieser sogenannten “Siedler” und mag sie sehr. die meisten dieser Menschen sind wunderbare Menschen, die dir das letzte Hemd geben wuerden. Ja, auch ich wuensche mir, dass die, die so abfaellig ueber “Siedler” und Siedlerkinder” sprechen, einmal wirklich an einem Shabbattisch dieser Siedler sitzen und die Waerme und Herzlichkeit spueren.
    DAnke jedenfalls
    Noa

  2. … Schon vor Sonnenaufgang ein paar Palästinenser ärgern. Dann Frühstück … Die bauen neue Häuser auf ihrem eigenen Land für neue Siedler, die neue Hilfskräfte …

    Das beschreibt die aktuelle Situation doch gar nicht mal so schlecht, oder?! Noa hatte grosses Glück, nur mit ‘wunderbaren Menschen’ sprechen zu können; das ist wirklich sehr schön zu lesen! Ich selbst hatte leider das Pech, nur ziemlich engstirnige, militante ‘Siedler’ getroffen zu haben, die den Palästinensern nicht das geringste Zugeständnis zu machen bereit wären. So unterschiedlich können persönliche Erfahrungen sein. Auch eine Realität im Gelobten Land!

    Shalom

    Miles

  3. Shalom Miles,

    Es kommt wohl immer darauf an, wen man trifft. So ist das in einer pluralistischen Gesellschaft, es gibt viele Meinungen, viele Erfahrungen und das ist auch gut so.

    Meine Erfahrungen in einem jüdischen Dorf in Judäa waren eher wie die von Noa – wunderbare Menschen, die sich sogar vorstellen können, mit einem palästinensischen Pass in ihrem Dorf zu leben. Wenn es denn mal einen Staat Palästina gibt.

    So unterschiedlich können Erfahrungen sein!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert